Donnerstag, 15. Dezember 2011

HB: Brasiliens Importsteuer schockt EU

Höhere Abgaben auf ausländische Autos torpedieren die Handelsgespräche Europas in Südamerika.Die Autolobby schlägt in Brüssel Alarm.

Thomas Ludwig Brüssel Inmitten der Freihandelsverhandlungen mit den Mercosur-Staaten düpiert Brasilien die EU mit einem drastischen Schritt zu mehr Protektionismus: Heute tritt ein Gesetz in Kraft, das die Steuer auf Importautos um 30 Prozent steigen lässt. EU-Handelskommissar Karel De Gucht sucht nach der passenden Reaktion: "Ich bin besorgt", sagte er dem Handelsblatt. "Die Weltwirtschaft durchläuft eine veritable Krise. Und die löst man nicht durch ein isoliertes Vorgehen, um heimische Märkte vor internationaler Konkurrenz zu schützen." Welche Schritte die EU ergreifen wird, ist allerdings offen.

Die brasilianische Regierung will mit dem drastischen Schritt die einheimische Produktion vor ausländischen Wettbewerbern schützen. Besonders massiv drängen chinesische und südkoreanische Autobauer wie Lifan, Chery und Jac, die in Brasilien keine Produktion haben, auf den dortigen Markt. Aber auch europäische Produzenten wie Volkswagen und Kia sind von den höheren Abgaben betroffen.

EU-Kommission soll hart gegensteuern.

Aus dem EU-Parlament kommen Rufe nach klarer Kante. "Wenn die Kommission nicht hart gegen diese Wuchersteuer auf Importautos vorgeht, kann das Beispiel Brasilien Schule machen. Die EU muss zeigen, dass sie diese Art von Erpressung nicht duldet", fordert der handelspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Daniel Caspary. Das einseitige Vorgehen sei ein Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Rudere Brasilien nicht zurück, müsse die EU Gegenmaßnahmen einleiten.

Die Steuersätze für eingeführte Kfz steigen in Brasilien von heute an je nach Fahrzeugtyp von sieben bis 13 auf 37 bis 43 Prozent. Die Anhebung gilt vorerst bis Dezember 2012 für Autobauer, deren Fahrzeuge nicht zu mindestens 65 Prozent vor Ort produziert werden. Zudem verpflichtet Brasilien die Hersteller, mindestens 0,5 Prozent ihres Bruttoumsatzes in Forschung und Entwicklung im Land zu investieren.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht die Maßnahmen mit Sorge. "Die Steuerpolitik Brasiliens schränkt den Marktzugang für unsere Unternehmen spürbar ein", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann dieser Zeitung: "Die Handelsschranke ist ein Beispiel für den wachsenden Protektionismus, den wir seit einiger Zeit in manchen Schwellenländern beobachten." Brüssel sei aufgefordert, dagegen vorzugehen.

Etwa jedes fünfte Auto in Brasilien kommt aus deutscher Produktion. Das Land gilt, wie die übrigen Mercosur-Mitglieder Argentinien, Uruguay und Paraguay als Markt mit großem Potenzial. Mit rund 4,2 Millionen verkauften Kfz hat sich der "Markt des Südens" 2010 als viertgrößter Automobilmarkt der Welt etabliert. Allein nach Brasilien exportierte Deutschland vergangenes Jahr Autos und Autoteile im Wert von mehr als 1,3 Milliarden Euro. Mit einem Plus von drei Prozent auf 3,6 Millionen Fahrzeuge rechnet der VDA für 2012 in Brasilien. Die Perspektive sei vielversprechend: Auf 1000 Einwohner kämen erst 165 Autos. Steigende Durchschnittseinkommen und eine wachsende Mittelschicht dürften für Schwung sorgen.

Wichtigster Handelspartner EU Für den Mercosur ist die EU ist mit einem Anteil von 20,3 Prozent an seinem Außenhandel der wichtigste Handelspartner weltweit. Für die EU machten die Exporte in den Mercosur 2010 zwar nur drei Prozent der Ausfuhr in Drittländer aus. Doch der Wert der Exporte stieg um 47 Prozent auf 40,1 Milliarden Euro. Ein Abkommen soll den Handel zwischen Europa und dem Markt des Südens weiter beflügeln. Doch die 2010 neu angelaufenen Verhandlungen stagnieren.

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