Dienstag, 13. März 2012

Brasilien ist das neue Indien

Vom IT-Standort Brasilien wissen nur wenige. Dabei wächst der Markt dort rasant - und ist schon jetzt so groß wie der indische. Genau das ist aber eines der Probleme.

von Daniela Leistikow Financial Times Deutschland

Brasilien, ein IT-Standort? Das ist hier kaum jemandem bekannt. Vielleicht ändert sich das, jetzt, da der südamerikanische Staat Partnerland der Messe Cebit ist. Denn der brasilianische Branchenverband Brasscom führt zwar internationale Größen wie IBM, Microsoft und Google auf. Das ist aber nur bedingt positiv.

"Eine Schwäche meines Landes ist, dass es nicht viele große brasilianische IT-Konzerne gibt", sagte Marco Stefanini, Chef des größten brasilianischen IT-Service-Unternehmens, im Gespräch mit der FTD. Sein Konzern, Stefanini IT Solutions, habe 2011 mit 730 Mio. Dollar fast zehnmal so viel Umsatz gemacht wie der größte Konkurrent. 2012 sollen es bereits 1,1 Mrd. Dollar sein.

Brasiliens IT-Markt wächst so rasant wie die gesamte Wirtschaft des Landes. 2011 stieg der Umsatz mit IT und Kommunikation dort nach Angaben des Forschungsinstituts EITO um 8,7 Prozent; im laufenden Jahr soll der Markt erneut um sechs Prozent auf dann 92 Mrd. Euro wachsen. Neben IT-Großkonzernen spielen vor allem international aktive Callcenter und an Großbanken angeschlossene IT-Unternehmen eine Rolle.

Stefanini IT ist eines davon. Der Anbieter von Personalservice, IT-Beratung sowie Systemintegration- und Anwendung hat fast 16.000 Mitarbeiter, verteilt auf 70 Büros in 28 Ländern. Ein großer Teil des Geschäfts ist das Entwickeln und Warten von Apps, vor allem für Banken. Auch mit der Deutschen Bank in Brasilien und Citigroup arbeite das Unternehmen zusammen, sagte der Konzernchef.

Brasilien sei sehr gut, was IT angehe, teils fortschrittlicher als Deutschland. "Bei Bankgeschäften gibt es keine Verzögerung, alles passiert in Echtzeit", sagte Stefanini. "Aber davon weiß hier keiner etwas!"

Das liege daran, dass Brasilien eher verschlossen sei und erst in den vergangenen zehn Jahren begonnen habe, sich zu öffnen. "Der IT-Markt in Indien ist genauso groß wie unserer", sagte der 51-Jährige. Eben weil der eigene Markt so groß sei, "konzentrieren sich viele brasilianische Unternehmen darauf statt auf globale Expansion." Auch deswegen sei Indien bekannter.

Stefanini möchte das ändern. Er geht mit gutem Beispiel voran und expandiert, auch nach Deutschland. In drei Jahren will er hier rund 500 Mitarbeiter haben, noch einmal so viel im restlichen deutschsprachigen Raum. Es ist ein großer Schritt. Bislang arbeiten in ganz Europa rund 1800 Menschen für ihn. Bis zu 100 Mio. Dollar will Stefanini ausgeben, um Mitarbeiter auszubilden und deutsche Mittelständler zu kaufen.

Als er das Unternehmen 1987 gründete, war das unvorstellbar. "Damals war Brasilien ganz anders als heute. Es war ein sehr hartes Land", sagte er. Dem Ende des Militärregimes folgte eine Entwicklungskrise. "Hyperinflation, kaum berufliche Perspektiven, es war schwer. Durch ein eigenes Unternehmen wollte ich einfach nur überleben."

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