Samstag, 4. August 2012

Im Tschad

(Heute mal ein Ausschnitt aus meinem Buch: "Geschichten, die der Großvater erzählte, bevor er sich eine Kugel in den Kopf schoß und in die Elbe fiel.")
......
Nicht alles war sinnlos und unwichtig. Immer noch stolz bin ich unter anderem auf den Einsatz mit der Legion im Tschad. Irgendwie muss ich mir die Vergangenheit ja schmackhaft machen.
Ein Jahr im Tschad, für uns fast nur Erholung und Herumhängen – fast wie Urlaub, wie wir Legionäre gern mal angaben.
Fast, wenn wir nicht täglich in der Hitze mit unseren Jeeps durch die Gegend gefahren wären und frühmorgens von unserer täglichen Sportstunde gequält worden wären
In der schlimmsten Mittagshitze lagen wir in unseren Zelten und bewegten uns nicht.
Jede Bewegung, jedes Gespräch war uns während unserer Mittagsruhe ausdrücklich verboten.
Wir schwitzten auch so in völliger Bewegungs- und Wortlosigkeit schon genug.
Jedenfalls gab es keine Kampfhandlungen, keine gefährlichen Einsätze und Auseinandersetzungen.
Denn es reichte, das wir da waren. Wir brauchten so gut wie nichts zu tun. Allein schon
unsere Anwesenheit reichte, das die sogenannten Rebellen nicht in unser Gebiet kamen. Und das war unsere Aufgabe.
Wir waren ihnen von unserer Kampfkraft her haushoch überlegen, was sie natürlich wussten.
Wir hatten unsere Jeeps, sie keine Fahrzeuge, wir hatten ein paar Maschinengewehre, unsere
Famas, Pistolen,  und wir hätten bei Problemen jederzeit auch Helikopter anfordern können.
Haben wir aber nie getan.
Die Menschen in den Dörfern waren dankbar dafür, daß sie, solange wir anwesend waren,   unbehelligt leben konnten. Wir verlangten nicht von ihnen, daß sie uns ernähren, wir nahmen keine Unterkunft in ihren Häusern, und ihre Frauen ließen wir auch in Ruhe.
Es sei denn, sie bandelten freiwillig mit uns an – was auch tatsächlich vorkam.
Black and White. Die ebenfalls dunkelhäutigen Legionäre waren merkwürdigerweise für
die Afrikanerinnen nicht so interessant. 

Ab und zu kauften wir Essbares von ihnen, oder wir ließen uns von ihnen etwas zubereiten, gegen Bezahlung. Das war uns offiziell nicht erlaubt, aber unterwegs auf unseren Patrouillenfahrten mal ein gebratenes Huhn zu essen, war eine willkommene Abwechslung und eine Gelegenheit für eine längere Pause. Das wir dafür bezahlten, sprach sich schnell herum und hatte zur Folge, daß uns ständig etwas angeboten wurde. Das war oft einfach zuviel, wir blieben aber immer höflich. Es war auch gut für uns, mit den Menschen Kontakt zu haben.
An richtige Gespräche kann ich mich persönlich nicht erinnern, dazu war die Verständigung zu schwierig.Es ging nur mit merkwürdig verdrehten Französischbrocken und Zeichensprache, trotzdem war ein gutes Gefühl dabei.
Die Menschen waren uns dankbar. Diese Dankbarkeit, die wir spürten, und die sie uns
auch mitteilten, machte uns schon stolz. Das war Balsam für uns abgestumpfte, abgebrühte Legionäre. Jedenfalls fühlten wir uns gut bei diesem Einsatz.
Leider  war nach einem Jahr wieder Schluss, wahrscheinlich weil irgendjemand uns dort nicht mehr finanzieren wollte, oder vielleicht auch, weil die sogenannten Rebellen aufgegeben hatten.

Bei einer Kontrollfahrt konnten wir einen der Rebellen festnehmen. Keine Ahnung, wieso er sich überhaupt in unserem Gebiet aufhielt. Vielleicht hatte er sich verlaufen oder war von seinen Kumpanen desertiert. Als wir den verängstigten Kerl fragten, wofür und warum er  kämpft, redete er in seinem Kauderwelsch nur irgendetwas daher, das Soldat eben sein Beruf sei. Wir befahlen ihm, sein Gewehr zu suchen, das er vorher weggeschmissen hatte. Dazu musste er vor unserem P4-Jeep herlaufen, während wir unsere brandneuen Famas-Gewehre auf ihn gerichtet hatten. Als er sein Gewehr endlich wiedergefunden hatte, musste er ein Loch schaufeln. Er dachte natürlich, es wäre ein Grab für ihn, zitterte vor lauter Angst dabei und stammelte irgendwas daher. In das Loch musste er sein Gewehr werfen, und anschließend auch noch den größten Teil seiner Kleidung. Nachdem er alles schön zugebuddelt hatte, ließen wir ihn davonlaufen.

Wir amüsierten uns köstlich darüber, in welchem Tempo der halbnackte Kerl im Zickzack in der Halbwüste davon rannte. Selbst abends in unserem Zeltlager lachten wir noch darüber. Bei dem Vorfall kam unsere halb verrohte Legionärs-Militär-Seele mal wieder zum Vorschein.

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